Welche Gestaltungsprozesse liegen universitärer Bildung zugrunde und lassen sich diese an ihren Spuren ablesen?
Der Künstler Christof Salzmann erstellt dazu ein Archiv aus universitären Relikten und reflektiert in seinem Display zugleich archivarische Praxis. Sein Blick auf die Artefakte basiert auf Poesie und Humor, spielt mit dem Zufall, fragt ob Spielen in einem Archiv erlaubt ist und was ein Archiv für die Zukunft bedeutet.
[…] ein Archiv, das „Relikte“ aus der zehnjährigen Geschichte der ZU in sich aufnimmt und damit die ZU auch repräsentiert. Salzmann interessiert dabei ein Blick auf Geschichte, der das Vergangene nicht zementiert, sondern alternative Lesarten und einen Zugang von vielen Seiten möglich macht. […]
Das erreicht er zum einen, indem er die Archivstücke nicht selbst aussuchte, sondern sie sich von ZU-Studierenden zutragen ließ. Die eindimensionale Sichtweise ist so schon einmal ausgeschlossen, ebenso wie eine nur offizielle Lesart: In Salzmanns Archiv finden sich nicht nur Bachelor-Urkunden, ZU-Publikationen und ein Modell der Container-Uni, sondern auch der „letzte konfiszierte Grill der Grillsaison 2013“, der mit dem realen Studentenleben an der ZU ebenso viel zu tun hat wie Vorlesungen und Prüfungen.
Wie Geschichte gelesen wird, hängt aber auch von der Systematik eines Archivs ab, und hier steht für Salzmann fest: „Wo nur Ordnung herrscht, nimmt man sich die Gelegenheit zu Entdeckungen“. Ohne solche Entdeckungen können wiederum keine alternativen Lesarten entstehen. Was Salzmanns Archiv zu Kunst macht, ist deshalb wesentlich seine Archiv-Architektur. Sie ist nicht auf Repräsentation angelegt, sondern wirkt gleichermaßen wohnlich wie vorläufig: Auf und in Holzrahmen aus Pressspan stehen die Exponate, die transparenten Regale sind teilweise ineinander verschachtelt und bilden einen Parcours, ein Labyrinth, das aber den Blick übers Ganze erlaubt. Es gibt eine Vielzahl von Zutrittsmöglichkeiten, und jede stellt auch einen Ausgang dar. Salzmanns Archiv macht Angebote der Betrachtung, ohne sich zum Leitsystem zu verengen, und der Verstoß gegen das Angebot an den Besucher, sich führen zu lassen, ist Teil des Konzepts: Manche Holzrahmen sind so niedrig, dass man über sie hinwegsteigen kann, die meisten so hoch, dass man unter ihnen durchkriechen kann. Nirgends bauen sich gebieterisch Barrieren auf.
Auf diese Weise bleibt das Archiv im Umgang mit Geschichte beweglich, bleicht sie nicht aus unter dem Licht eines einmal eingenommenen Blickwinkels. Dass die überall herumstehenden Staubwedel schreiend bunt sind, lässt sich also symbolisch verstehen.
Südkurier | Friedrichshafen | Ruppert, Harald
»Künstler nimmt die Geschichte der Wissenschaft in den Blick« | 16.09.2013
»ZU-Ordnung – Wissensarchiv & Archivwissen«
Zeppelin Universität | Friedrichshafen
14.09.2013 – 27.11.2013
Fotografien: © Christof Salzmann (2013)
Text: © Harald Ruppert (2013)
14. September 2013